Die 26. große Strafkammer des Landgerichts Berlin hat das Bußgeldverfahren der Berliner Datenschutzbeauftragten gegen die Deutsche Wohnen Immobiliengesellschaft, i.H.v. 14,5 Millionen Euro, am 18.02.21 eingestellt.
Jahrelange Archivierung von Mieterdaten – das kostet!
Die Deutsche Wohnen Immobiliengesellschaft (Deutsche Wohnen) ist mit ca. 165.700 Einheiten eine der größten Vermieter in Berlin. Die Berliner Aufsichtsbehörde leitete das Verfahren in 2017 aufgrund mehrerer Einzelfälle und Beschwerden von Mieter:innen ein. Es kam heraus, dass die Deutsche Wohnen jahrelang Mieterdaten archivierte, ohne dass hierfür eine Rechtsgrundlage vorgelegen hätte. Darüber hinaus wurden Löschfristen nicht eingehalten.
Die Berliner Datenschutzbeauftragte erließ dafür am 30.10.2019 einen Bußgeldbescheid in Höhe von 14,5 Millionen Euro.
Eine noch recht günstige Strafe für die Deutsche Wohnen. Bußgelder werden an dem im Vorjahr erzielten Jahresumsatz berechnet, welcher sich von Deutsche Wohnen bei über einer Milliarde Euro bewegte. Bis zu 2%, also 28 Millionen Euro, wären möglich gewesen.
Verstöße gegen die DSGVO
Die zeitlich nicht begrenzte Speicherung von personenbezogenen Daten ohne Überprüfung der Zulässigkeit und Erforderlichkeit verstößt gegen Grundsätze der Datenschutzgrundverordnung, konkret gegen Art. 5 DSGVO. Das Archivsystem der Deutsche Wohnen sah keine Löschung von Daten vor, weshalb außerdem ein Verstoß gegen das Gebot des Datenschutzes durch Technikgestaltung aus Art. 25 DSGVO (Privacy by Design) vorlag.
Privacy by Design – Grundsatz
Bereits 2017 wurde der Deutsche Wohnen nach Vor-Ort-Prüfungen der Archivierung und des Umgangs mit personenbezogenen Daten geraten, das Archivsystem zu überarbeiten und Maßnahmen zur Löschung nicht mehr notwendiger Datensätze zu etablieren. Die Datensätze umfassten unter anderem Sozial- und Krankenversicherungsangaben, Steuerangaben, Gehaltsbescheinigungen, Selbstauskunftsformulare und Kontoauszüge.
Verfahrenseinstellung durch das Landgericht Berlin
„Nur konkretisierte Verantwortliche innerhalb eines Unternehmens können Subjekt eines Bußgeldverfahrens darstellen.“
Das Landgericht stellte das Verfahren ein, da es einen Verfahrensfehler darin sah, dass die Berliner Datenschutzbeauftragte keinen Verantwortlichen für den Verstoß konkretisierte, und juristische Personen laut dem Landgericht keine Betroffenen von Bußgeldverfahren sein können. Die Bußgeldbehörde nannte in ihrem Verfahren keine natürlichen Personen aus dem Management- oder Mitarbeiterkreis, weshalb der Deutsche Wohnen kein Handeln eines Organmitglieds zugerechnet werden konnte. Eine juristische Person als solche sei im rechtlichen Sinne nicht handlungsfähig und somit nicht fähig, eine Ordnungswidrigkeit zu begehen.
Ausblick
Deutsche Wohnen Immobiliengesellschaft muss vorerst kein Bußgeld in Höhe von 14,5 Millionen Euro zahlen. Ein Sprecher der Datenschutzaufsichtsbehörde Berlin kündigte jedoch bereits an, dass die Berliner Datenschutzbeauftragte die Berliner Staatsanwaltschaft bitten würde, Rechtsmittel gegen den Beschluss einzulegen.
Laut dem Sprecher der Datenschutzaufsichtsbehörde stehe das Landesgericht Berlin mit seiner Begründung im Widerspruch zu den Ansichten der Datenschutzaufsichtsbehörden und zur vorherigen Entscheidung des Landgerichts Bonn 2020 zu dem Internetanbieter 1&1 [LG Bonn, Urteil vom 11.11.2020 Az. 29 OWi 1/20]. Das LG Bonn habe das Ordnungswidrigkeitsgesetz (OWiG) europarechtskonform in Hinblick auf die Definition des „Verantwortlichen“ in Art. 4 DSGVO ausgelegt und erkannte die Möglichkeit an, im Einklang mit dem OWiG Bußgelder gegen juristische Personen verhängen zu können.
Insbesondere vor dem Hintergrund des jahrelang nicht überprüften „Datenfriedhofs“ der Deutsche Wohnen kann mit einem Widerspruch gegen den Beschluss und einer Neubeurteilung gerechnet werden.
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